„Damals beim sid wurde ich Chef für das Olympiabüro und was da-
mit zusammenhing. Ich habe den Herausgeber zur Berichterstatt-
ung über das Wasserballturnier eingeteilt, was nach den Spielen zu meinem Ausscheiden führte. Ich habe es überlebt.“
Ulrich Kaiser (Jahrgang 1934) ist freier Journalist und Autor. 1972 leitete er das Olympiabüro des Sport-Informations-Diensts (sid).
„1972 war ich 17, lebte in Rosenheim und besuchte das Finster-walder Gymnasium. Ein Nachbar war Mitarbeiter bei der Firma EFA Eiskrem in Amerang. Er fragte mich, ob ich bei den Spielen Eis ver-kaufen wolle, es würden noch ein paar Studenten gesucht. Es waren über 1000 Bewerber. Ich wurde genommen und im Olympiastadion eingesetzt (Foto). Es war ein Traumjob, es gab 1000 Mark für 16 Tage (weil ich auch gut verkauft habe!). Aber das wichtigste war: Ich habe sämtliche Wettbewerbe gesehen. Es war mit Abstand mein schönster Ferienjob!
Karlheinz Kas war Redaktionsleiter des Trostberger Tagblatts und Hörfunkreporter des Bayerischen Rundfunks.
„Ich war 10 – und Olympia 1972 mein erstes bewusst wahrgenom-
menes Sportereignis. Und ja, wir hatten Karten: Zweimal ging mein Vater mit mir zum Kanuslalom an den Augsburger Eiskanal. Gegen-
über sahen wir den Pfarrer unserer Gemeinde – da war klar: Olympia ist was ganz Großes und für alle. Ansonsten war München ein Schwarz-weiß-Fernseherlebnis. Die junge Fernliebe zur sowjeti-
schen Turnerin Olga Korbut blieb unerfüllt – ebenso wie ein 35 Jahre später an sie per E-Mail gerichteter Interviewwunsch.“
Günter Klein ist Sportredakteur beim Münchner Merkur, 1972 war er noch klein.
„Als freier Mitarbeiter der SZ berichtete ich seit 1969 über Motor-
sport und Handball – u.a., weil ich als Spieler des TSV Milberts-
hofen nahe am Bundesliga-Team dran war. Über Handball schrieb aber das Redaktionsmitglied Hans Eiberle. SZ-Sportchef Ludwig Koppenwallner schickte mich zu den Volleyballern, die medial sehr gut ankamen und Bronze gewannen. Ich erschien sogar ein paar Mal mit Stolz auf der „1".
Die Olympischen Spiele 1972 haben mir beim Einstieg in den (Sport)Journalismus sehr geholfen. Nach meinem Studium und vier Jahren als Lehrer war ich acht Jahre lang bei der AZ, später (als Begleiter von Boris Becker und Steffi Graf) für dpa, SID, Welt, Welt am Sonntag, tz, Sport 1 unterwegs.
Was sich heute wegen Handy, i Pads etc. keiner mehr vorstellen kann: Oft gingen mir beim Übermitteln der Texte die Zehnerl fürs Telefon aus.“
Conny Konzack (Jahrgang 50), Chefredakteur des Magazins TOP München, schrieb 1972 als freier Journalist für die Süddeutsche Zeitung.
„1972 war ich Volontär im Bayernteil des Münchner Merkur. Für die Spiele wurde ich an die tz-Olympia-Redaktion ausgeliehen. Olym-
pischer Dorf-Reporter im Vorfeld, dann Ringen waren meine Auf-
gabenbereiche. Es herrschte eine wunderbare Stimmung in Mün-
chen. Dann das grausame Attentat. Ich war ab 10 Uhr in der Re-
daktion und geschockt wie alle. Anspannung den ganzen Tag bis tief in die Nacht. Gegen zwei Uhr Morgens machten wir in der Redaktion die Schlagzeile: Alle Geiseln am Leben. Das hatte der Regierungssprecher im TV verkündet.
Nach dem Andruck fuhr ich gegen drei Uhr erleichtert nach Hause. Unterwegs kam dann die Schreckens-Meldung im Radio: Alle Geiseln tot. Ich war wie paralysiert, wäre am lieb-
sten gestorben. Daheim in Ebersberg rief ich sofort in der Redaktion an, die hatten die Schlagzeile schon geändert. Das Trauma dieser Nacht verfolgt mich auch nach 40 Jahren noch. Ich wünsche keinem Kollegen, dass er so etwas erlebt.“
Peter M. Lill (Jahrgang 1947) ist Ruheständler. 1972 war er als Volontär Olympiareporter der tz und später Geschäftsführer des VMS.
„Die Fotografen Erich Baumann, Albrecht Gäbele, Rupert Leser, Fred Joch und mein Mann Max Mühlberger hatten sich zum Olympia-Farb-
pool zusammengeschlossen. Ihre Ehefrauen waren für die Auswer-tung des Materials, die Weiterleitung und alle sonst noch anfallenden Arbeiten zuständig. Lediglich Heidi Joch und ich wurden auch zum Fotografieren eingesetzt, zum Beispiel bei der Eröffnungsfeier, beim Volleyball und Basketball und wo sonst noch Not am Mann war. Es war ein Einsatz fast rund um die Uhr mit wenig Pausen und Schlaf, aber ein großes Erlebnis, das man nie vergessen wird.“
Maria Mühlberger (Jahrgang 1937) ist Fotografin im Ruhestand, sie war Geschäftsfüh-rerin und Fotografen-Beauftragte im VMS-Vorstand.
„Für unser BILD-Olympiabüro, im Keller eines der Häuser des
Olympischen Dorfes angesiedelt, musste ein Botendienst orga-
nisiert werden, der möglichst flugs Manuskripte und Fotos zu transportieren hatte. Elektronische Datenübertragung war damals noch ein Fremdwort, die Journalistenwerkzeuge waren Schreib-
maschine und Festnetztelefon. Wir heuerten unter Mithilfe unseres freien Mitarbeiters Raimund Hinko, seinerzeit Jugendtrainer beim FC Bayern München, junge und laufstarke Fußballer an. Der kräftigste und größte von Ihnen, ein beneideter Torjäger, wurde zum „Leitwolf“ ernannt. Doch schon nach wenigen Tagen machte das Kraftpaket schlapp. Mit ihm verabschiedeten sich dann einer nach dem anderen. Wir hatten ein Problem. Da kam der Kleinste aus der verbliebenen Botenschar zu mir und sagte: ,Herr Müller, sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Ich kümmere mich darum, dass der Botendienst reibungslos klappt.' Fortan organisierte der Kleine mit seinen Spezln den Transport der Manuskripte. Als ich wissen wollte, warum er sich so engagiert einsetzt, sagte er: ,Ich will auch mal Sportjournalist werden und da kommt mir der Job gerade recht. Hier habe ich die beste Gelegenheit erste Erfahrungen zu sammeln.'
Er bekam später sein Volontariat in der Münchner BILD-Redaktion. Sein Name: Fritz Hautsch. Er wurde einer meiner Nachfolger als Ressortchef Sport bei BILD München. Auch so können journalistische Karrieren beginnen.“
Klaus K. Müller (Jahrgang 1939) lebt in Bad Endorf im Chiemgau. 1972 war er Sportchef von BILD München.
„Als gelernter 28-jähriger Sportfotograf war ich schon einige Jahre tätig, aber München waren meine ersten Olympischen Spiele. Ich war Leiter der Sportfotoagentur SVEN SIMON, wir hatten uns mit den Agenturen Werner Rehaczek (Werek) und Dieter Frinke (Frinke Sportbild), zum „Nationalen Olympischen Pool" (NOP) zusammen geschlossen. Eine riesige Aufgabe, aber auch die Chance unseres Lebens, die wir genutzt haben. Weltweit verbrei-teten wir die Bilder der Spiele im Auftrag des Nationalen Olympi-schen Komitees. Bis heute verwaltet die Fotoagentur SVEN SIMON Tausende Fotos von Olympia '72 München und sorgt dafür, dass diese Bilder 40 Jahre danach, griffbereit, zugänglich und digitalisiert, die Erinnerung an dieses Ereignis wach halten.
Für mich waren die Spiele 1972 von München der Startschuss zu einer internationalen Fotografenkarriere. Ein Jahr später wurde mir der „World Press Preis" verliehen.
Günter R. Müller (Jahrgang 1944) lebt als freier Fotograf am Chiemsee, veröffentlicht Bücher und fotografiert vor allem Landschaft im Chiemgau für die Süddeutsche Zeitung.
Es war der 4. September 1972, ein warmer, wunderschöner Abend. Ich hatte ein paar Stunden Freizeit. Meine Frau war gekommen, wir waren seit drei Monate verheiratet. Mit Freunden und Kollegen ich durch das Olympiagelände, wurde von der tollen Stimmung mitge-
rissen, feierte im Stadion den Hochsprung-Sieg von Ulrike Meyfarth, sah kurz beim Boxen vorbei, wo Teofilo Stevenson gerade einen Gegner furchtbar verdrosch und genoss den Abend mit einem Ab-
sacker in einem Lokal. Und weil es schon so spät war, schmuggelte ich meine Frau in in mein Appartement im Mediendorf; Kontrollen gab so gut wie nicht.
Fünf Stunden später war die Welt nicht mehr in Ordnung, der Terror hatte Einzug gehal-ten in die olympische Familie. Meine Frau hatte fluchtartig das Mediendorf verlassen, gerade noch rechtzeitig, bevor alle Eingänge gesperrt wurden. Und ich, der junge tz-Reporter, verfolgte mit Entsetzen die folgenden Stunden und die unsägliche Pressekon-ferenz mit dem bayerischen Innenminister Bruno Merk, die nach einer Stunde Ausflüchte um drei Uhr morgens in dem Satz gipfelte: Die Geiseln sind alle tot. Und verstand andern-tags erst recht nicht Avery Brundage, der ungerührt verkündete: The games must go on.
Ottmar Neidhardt (Jahrgang 1944), damals seit zwei Jahren tz-Redakteur, war von 1987-
2001 Sportchef der tz.
„Weil mich viele Menschen in Korbach und Umgebung um meinen Olympia-Einsatz beneideten, organisierte ich einen (Stamm)-Tisch für einen „Waldecker Abend“ im Augustiner Keller für zehn bis 15 Leute. Es kamen aber über 100 , die bei Post oder Bundeswehr, als Kampf-
richter, als Helfer in der Organisation tätig waren oder als Zuschauer nach München gekommen waren und von dem Termin in der Heimat-
zeitung gelesen hatten. Beim kurzfristig angesetzten zweiten Treffen eine Woche später waren es immerhin noch 87. Und das, obwohl „unser“ Leichtathlet Hermann Köhler, 1971 noch Schlussläufer der 4x400-Meter-Gold-staffel bei der EM 1971 in Helsinki, im Olympiastadion an Position drei mit großem Vor-sprung an Karl Honz übergeben hatte, der nach 200 Metern völlig einbrach und Kenia, Großbritannien und Frankreich passieren lassen musste. Eine traurige Bekanntschaft mit dem „undankbaren“ vierten Platz!“
Schnell stand für mich dank der tollen Atmosphäre fest: Dies sollen nicht deine ersten und letzten Spiele sein, und München ist die Stadt, in der ich leben und arbeiten möchte. Inzwi-
schen sind 18 Olympische Spiele im Sommer und Winter daraus geworden. Von 1980 bis 1985 beim sid im Olympiaturm und seit 1992 beim Bayerischen Fernsehen und in der ARD; München ist längst meine neue Heimat geworden.“
Werner Rabe (Jahrgang 1950) war Sportchef des Bayerischen Rundfunks. 1972 war er Sportredakteur der Waldeckischen Landeszeitung in Korbach.
„In der Redaktionskonferenz der Abendzeitung am vierten Wett-
kampftag der Olympischen Spiele 1972 war beschlossen worden: Sollte es bis zum Abend erneut keinen Olympiasieger oder keine Olympiasiegerin aus der Bundesrepublik geben, würde die Schlag-
zeile auf Seite 1 am nächsten Tag lauten: „Die anderen siegen - wir bleiben heiter“. So kam es auch, für mich war es d i e Schlagzeile der ersten Olympiawoche, die auch von vielen Medien selbst aus dem Ausland beachtet wurde. Nichts hätte die ungewöhnliche Stimmung in allen Wettkampfstätten und in der ganzen Stadt besser wiedergeben können als dieser einfache Satz.
Man diskutierte noch darüber, als an jenem Mittwoch endlich die erste Goldmedaille für die Bundesrepublik bejubelt wurde. Und ich hatte das Glück, dass ich als der in der AZ für die Leichtathletik zuständige Redakteur über diesen Erfolg von Heide Rosendahl im Weit-
sprung berichten konnte - ebenso wie über den „goldenen Sonntag“ mit den drei Olympia-
siegern Klaus Wolfermann, Hildegard Falck und Bernd Kannenberg. Über den sensatio-
nellen Hochsprung-Triumph der 16-jährigen Ulrike Meyfarth am Abend des 4. September konnte man sich jedoch schon am nächsten Morgen nicht mehr freuen, als der Terror-
anschlag von Palästinensern auf das israelische Olympiateam bekannt wurde. Von heite-ren Spielen konnte von da an keine Rede mehr sein.“
Gerd Raithel (Jahrgang 1931) ist Ruheständler. 1972 war er Redakteur der Münchner Abendzeitung.
„Heißer Tag im Hotel Bayerischer Hof. IOC-Präsident Avery Brundage beauftragt mich, jeden Athleten zu melden, der im Olympischen Dorf in einem T-Shirt mit Schriftzug großer Marken herumläuft. Als altem Leichtathleten steht mir der kalte Schweiß auf der Stirn. Das bringe ich nicht übers Sportlerherz.
Einladung zum Tee bei Dr. Emmy Schwabe, Chefin der Olympia-Ho-
stessen. Mit am Tisch Sylvia Sommerlatt. Man sagt mir, es gebe ein Gerücht, wonach ich behauptet haben soll, Sylvia hätte eine Affäre mit einem der deut-
schen Generalsekretäre. Ich fiel aus allen Wolken, hatte keine Ahnung und natürlich nichts damit zu tun. Ach so, dann sei die Sache erledigt.
Olympiastadion: Promotionaktion für das Maskottchen Olympia-Waldi. Olympia-Fußball-
amateur Uli Hoeneß schießt fürs Foto auf ein Tor. Waldi steht auf der Latte. Danke Uli! Schade, dass ihm bei der EM 1976 der Ball beim Elfmeter über die Latte rutschte.
Geiselnahme im Olympischen Dorf. Mein Auftrag: Im Generalsekretariat in der Saarstraße zu bleiben als Nervenstütze für die Damen. Ortswechsel quer über das Olympiagelände in das Pressezentrum. Auf dem Weg dorthin die Radiomeldung ,Geiseldrama endet tödlich'. Blankes Entsetzen beim Betreten des Pressezentrums. Dort verkündet Pressechef Hans Klein, die Geiseln seien gerettet.“
Egon Stengl (1935-2015) war Herausgeber des Online-Magazin Infocomma, in dem der gemeinsame Internetauftritt der der drei bayerischen Sportjournalistenvereine in Mün-chen, Nürnberg und Augsburg erschien. 1972 war Stengl war Pressesprecher der Olym-pia-Baugesellschaft.
"Es ist kein persönliches Erlebnis, aber es ist immer das Erste, was mir einfällt, wenn ich an München 1972 denke: das Geisel-Drama. Und als Zweites - wie schizophren – an die Fröhlichkeit der ersten Tage, als die BRD nichts gewann, doch die AZ titelte: „Die anderen siegen – wir bleiben heiter.“ München ’72 bleibt somit ewig ein Zwiespalt. Der bereits mit der Eröffnungsfeier begann, denn: Ich erinnere mich noch gut an die Wut auf mich selbst – weil ich als 68er plötzlich so etwas wie Stolz empfand. Peinlich!"
Jupp Suttner (Jahrgang 1948) ist freier Journalist. 1972 berichtete er für den Kicker.
„Im Olympischen Dorf, in der Connollystraße 31, fällt der erste Schuss am Morgen um fünf vor Fünf. Und der letzte in der Stunde vor Mitter-
nacht, in einem Hubschrauber auf dem Militärfliegerhorst in Fürsten-
feldbruck. 17 unschuldige Menschen sterben durch den brutalen Ein-
bruch von Gewalt in die so genannten ,heiteren Spiele'. Am nächsten Tag stehe ich, der 32 Jahre alte Reporter des SID, mit Tränen in den Augen im Stadion unter den Hunderttausend einer offiziellen Trauer-
feier. Damit enden für mich die Olympischen Spiele 1972 an diesem 6.September - obwohl: "The Show must go on". Das fürchterliche Massaker von München bewegt mich heute wie damals. Das Schreckliche ist in mir noch immer mehr verinnerlicht als das Schöne.
Wolfgang Uhrig war Chefredakteur des kicker. 1972 Redakteur beim Sport-Informations-Dienst (sid).
Persönliche Erinnerungen? Mir fällt auf Anhieb ein, dass München Kopf stand, als bekannt wurde, dass wir ein großes Stadion be-
kommen sollen und bekommen haben. Und nicht zu unterschätzen: Die Schwimmhalle und das Radstadion. Wir hatten in München ja nichts außer dem Dantestadion und dem Stadion an der Grün-
walder Straße. Nicht zu vergessen: Die U-Bahn. Es war ja alles nicht selbstverständlich, was die Stadt mit Oberbürgermeister Hans Jochen Vogel an der Spitze damals geleistet hat.
Harry Valérien (Jahrgang 1923) moderierte von 1963 – 1988 das Aktuelle Sportstudio im ZDF. Er starb 2012 im Alter von 88 Jahren.
Walther Tröger, der Bürgermeister des olympischen Dorf, wollte eine Dorfzeitung. Wir kannten uns von der Uni Marburg, wo Tröger Sport-
referent war. Er fragte mich ganze vier Wochen vor den Spielen, ob ich die Zeitung machen könne. Das Geld war knapp, ein Verleger wurde gefunden, und ein Titel auch: Village News. Die Zeitung er-
schien in Deutsch, Englisch und Französisch, Auflage 8.000 bis 10.000 Stück. In München waren die Kapazitäten ausgelastet, ge-
druckt wurde deshalb in Augsburg.
Der Zeitplan für die Redaktion war eng. Morgens um zehn Uhr Redaktionskonferenz, Re-
daktionsschluss am späten Nachmittag, danach wurden die Texte übersetzt. Problem für den Layouter: Ein Text, der im Deutschen 50 Zeilen hat, ist in der englischen Übersetzung nur 40, im Französischen aber 60 Zeilen lang.
Ich brachte das Material in die Augsburger Druckerei und habe bis nachts um zwei Uhr gewartet, bis ich die ersten
Zeitungsstöße mit zurück nach München nehmen und in der Diskothek des Olympischen Dorfes verteilen konnte.
Die durchschnittlich acht Seiten starke Village News sollte unterhalten und
informieren. Neben den Geschichten und Nachrichten rund um das Athletendorf folgte jede Ausgabe einem übergeordneten Thema. Mal hatten wir das Motto ‚Girls, Girls, Girls’ und haben dafür hübsche
Mädels fotografiert. Ein anderes Mal hieß es ‚Hair‘, wir zeigten die unter-schiedlichen Frisuren der Sportler.
Wir schrieben auch darüber, was die Athleten neben ihren Wettkämpfen beschäftigte. Wenn sich also jemand über das Kantinen-Essen beschwert hat, dann haben wir zu den Vorwürfen auch die Kantinen-Verwaltung befragt.
Und wir waren unbestechlich. Der jetzige FIFA-Präsident Sepp Blatter war Repräsentant der Schweizer Uhrenfirma Longines, die Zeitmessgeräte für die Spiele geliefert hatte. Blatter fragte, ob wir nicht eine große Geschichte über Longines machen könnten? Es würde unser Schaden nicht sein. Wir lehnten ab – natürlich.
Eberhard Vaubel (1935-2019) war freier Journalist und lebte im Ruhestand auf der Kana-reninsel La Palma.
„Ich bin 11 und werde im Herbst auf die Realschule in Bad Tölz wechseln. Großvater nimmt mich mit zum Schießen und Rudern (Foto). Beim Schießen gewinnt Gottfried Kustermann, von dem ich mir ein Autogramm hole. In der Abendsendung der ARD bin ich dabei zu sehen. Vom Rudern bleibt keine Erinnerung. Weil aber der Achter Neuseelands, der Gold gewinnt, vor den Spielen am Sylvensteinsee trainierte (wo wir badeten), habe ich auch von ihnen Autogramme. Auf Tempo-Taschentüchern und Butterbrot-
papier. Alles achtlos weggeworfen. 1972? Sehr weit vor eBay.“
Gerhard Waldherr war Reporter des stern, u.a. in New York und Autor des Wirtschafts-
magazind brand eins. Er lebt als freier Journalist und Autor in Berlin.
„Was haben Erhard Keller, Carsten Keller und Dwight Stones ge-
meinsam;, ein Eisschnellläufer, ein Feldhockeyspieler und ein Hochspringer? Alle drei sind erfolgreiche Olympiateilnehmer der 70er Jahre. Mein Zwillingsbruder Joachim und ich hatten das Glück, sie 1972 kennenzulernen.
Wir spielten Feldhockey beim Münchner SC und wurden 1972 Ballbuben beim olympischen Hockeyturnier. Wir mussten bei Seitenaus einen Ball hinlegen, damit das Spiel zügig weitergehen konnte. Wir waren „akkreditiert“, erlebten unsere Vorbilder hautnah. Dabei lernten wir Carsten Keller und das Team der Nationalmannschaft kennen, die Gold gewann.
Joki und mich faszinierte der Fosbury-Flop. Unser Held war Dwight Stones, auch wenn er nur Dritter wurde. Erst recht, als er auf unseren weißen Käppis ein Autogramm hinterließ. Diese beiden Sonnenhüte zierten am Ende der Spiele unzählige Namenszüge, die unsere Mutter mühevoll nachstickte, weil die Unterschriften beim Waschen zu verbleichen drohten.
Was das mit dem Olympiasieger Erhard Keller zu tun hat? Der wurde ins Aktuelle Sport-
studio eingeladen, das Harry Valérien moderierte. Valérien suchte jemand, der ehren-
amtlich an den Olympischen Spielen teilnahm. Von seinem Kollegen, unserem Vater Hermann Walz, erfuhr er, dass dessen Söhne Ballbuben sein würden. Ehe wir uns ver-
sahen, saßen wir im Flugzeug und hatten einen Auftritt im Aktuellen Sportstudio. Wir durften die vier Glückszahlen der Olympialotterie ziehen (3245). Mit der „Teilnahme ehrenhalber“ allerdings mussten wir Harry Valérien enttäuschen. Vor laufender Kamera gefragt „...oder kriagt’s ihr auch ein Geld?“, kam es zweistimmig: „ Ja, zwei Dollar am Tag, genau 6 Mark 50!“
Als Valérien von uns wissen wollte, ob wir Sportler kennen, sollten wir als Überleitung Erhard Keller nennen, den Überraschungs-Studiogast. Doch meinem Bruder Joki fiel vor lauter Nervosität nur der Hockeyspieler Carsten Keller ein.
Thomas Walz ist Redakteur bei Sport1 (Fernsehen) und 1. Vorsitzender des Vereins Münchner Sportjournalisten (VMS).
Joachim Walz ist freier Journalist und Schatzmeister des Vereins Münchner Sportjour-
nalisten.