In der tz schrieb sein Weggefährte Fritz von Thurn und Taxi: „1971 traf ich Günther zum ersten Mal. Er gehörte zu einer Garde von Reporterpersönlichkeiten des BR, die unver-gessen ist: Ludwig Maibohm, Günther Isenbügel, Sammy Drechsel, Oskar Klose. An Günther hat mich seine Vielseitigkeit beeindruckt. Er hat gleichzeitig für Zeitung, Radio und Fernsehen gearbeitet – heute undenkbar, war kultiviert und gebildet, ein großer Musikliebhaber. Zusammen haben wir eine der ersten Fernseh-Talkshows gemacht, den Samstagsclub im BR.
Günther war neben Hans-Joachim Rauschenbach einer der ersten deutschen Sport-reporter, der Toupet trug – was heute gottlob nicht mehr notwendig ist. Unvergessen bleibt mir seine Flugangst. Wir waren viel miteinander unterwegs, das Europacupfinale der Bayern 1974 gegen Atletico Madrid war nur eine dieser Reisen. Und der Mann, der im TV-Studio so souverän und gelassen war, schwitzte im Flugzeug Blut und Wasser. Gegen das Lampenfieber beim Fliegen half sein kleines Geheimnis – ein Flachmann zur Beruhigung.
Ich bin froh, dass ich im Oktober bei der Jubiläumssendung zur 1500. Ausgabe von Blick-punkt Sport nochmal mit ihm reden konnte. Er war am Tag zuvor gestürzt, es ging ihm nicht sehr gut, aber sein Kopf war hellwach wie eh und je.
Jetzt ist er gegangen, als letzter Vertreter einer großen Reportergeneration. Servus, Günther!“
Ein beneidenswert schneller Schreiber
Auch Hans Eiberle, SZ-Fußballschreiber und von 1961-1999 und 1. Vorsitzender des Vereins Münchner Sportjournalisten von 1989 bis 2014, hat sehr persönliche Erinnerun-gen an Günther Wolfbauer. „Mein erster Chef war Franz Miller, Chefredakteur des Sport-kurier, damals besser bekannt als Starter bei den Olympischen Spielen 1928, 1932 und 1936. Der zweite wäre beinahe Günther Wolfbauer geworden. Der war 1963 Ressortleiter Sport der Abendzeitung und wollte mich nach meinem Volontariat bei der Süddeutschen Zeitung abwerben. Ich schrieb damals auch für die Abendzeitung über die Auswärtsspiele des FC Bayern und 1860 in der Oberliga Süd. Die beiden Verlage teilten sich die Reise-kosten, das AZ-Hono-rar durfte ich behalten. Wolfbauer bot mir 800 Mark monatlich, dann 900, schließlich 1000 Mark; das tarifliche Monatsgehalt eines Redakteurs im ersten Berufsjahr war 620 Mark.
Mein Chef Ludwig Koppenwallner tobte. Es war die Zeit, da Volontäre mit der Absicht ein-gestellt wurden, sie später als Redakteure zu beschäftigen, die rar waren. Koppenwallner rief Wolfbauer über die interne Telefonleitung an – beide Zeitungen trennte damals eine Mauer und verband eine Tür – und beschimpfte seinen Ressortleiterkollegen. Mir war es peinlich, Wolfbauer lachte, denn er kannte den „Koppe“.
Es ging dann so aus, dass ich bei der SZ ein Redakteursjahr übersprang und mit 750 Mark anfing. Wolfbauer erwies sich als guter Verlierer und sagte, immerhin habe es mir war gebracht.
Bei der Fußball-WM 1970 in Mexiko bildeten die Münchner Kollegen eine Fahrgemein-schaft. Am Steuer saß Günther Wolfbauer, er fuhr einen Ford Falcon. Einmal missachtete er ein Abbiegeverbot, uns stoppte ein Polizist auf einer schweren Maschine. Wolfbauer garnierte den Führerschein mit einer 100-Peso-Note, damals rund 35 Mark. Der Polizist steckte das Geld ein, gab die Fahrerlaubnis zurück, schaltete Blaulicht und Sirene ein und eskortierte uns ins Hotel Camino Real. So lernte ich, was internationale Erfahrung als Journalist wert ist.
Günther Wolfbauer war ein beneidenswert schneller Schreiber. Zu Zeiten miserabler Telefonverbindungen waren die Redaktionen daheim auf die Informationen aus dem Radio angewiesen, wie sie heute Texte vor dem Fernseher verfasst werden. Da der Bayerische Rundfunk meist nur die zweite Halbzeit sendete, rekapitulierte Wolfbauer zuvor das Geschehen der ersten ausführlich, quasi zum Mitschreiben für die Kollegen daheim.
1971 beim Länderspiel gegen Albanien in Tirana ging es schief. Im Stadion gab es kein Telefon und im Hotel nur eine Leitung für sämtliche Journalisten. Die Sprechzeit wurde portioniert, jeder bekam acht Minuten. Im Vertrauen darauf, dass die Kollegen in der SZ-Redaktion aus Wolfbauers Reportage den Spielbericht geschrieben hatten, beschränkte ich mich auf einen kommentierenden Text. Zweimal versuchte mein Kollege Wolfgang Weingärtner mich was zu fragen, aber ich achtete nicht darauf, denn ich hatte ja nur die acht Minuten.
Als ich die Telefonzelle verließ, betrat Günther Wolfbauer die Hotelhalle und sagte: „Freunde, ich muss euch was sagen: Ich war nie auf Sendung.“ Da war klar, was sie daheim hatten wissen wollen: das Ergebnis, es fehlte in meinem Bericht. Dpa meldete das Resultat (0:1) eine Stunde nach Spielschluss, Gerd Müller als Torschützen eine halbe Stunde später.
In Eriwan, beim Europacupspiel der Münchner Bayern gegen Ararat (1975), teilte ich mit Günther Wolfbauer ein Doppelzimmer. Wir bewachten rund um die Uhr ein Telefon, das vor dem Spiel nie läutete; auch das im Stadion blieb stumm. Nach dem Spiel erhielt ich im Hotel endlich einen Anruf – vom SZ-Korrespondenten in Moskau. Dem diktierte ich meinen Text, der gab ihn weiter nach München.
Noch einmal nahmen Günther und ich an der Copacabana gemeinsam ein Hotelzimmer – für eine Stunde. Nach einer Nacht im Flugzeug und einer zweiten an der Schreibmaschine und vor einer dritten wieder im Flieger gönnten wir uns eine kurze Schlafpause. Dettmar Cramer brauchte die nicht. Am Tag nach dem Gewinn des Weltcups in Belo Horizonte mischte sich der Trainer des FC Bayern unter die Strandfußballer. Das war zu viel, während des Rückflugs erlitt er einen Kreislaufkollaps."
Als der FC Bayern in die Arena übersiedelte, beantragte Günther Wolfbauer ein letztes Mal eine Jahresakkreditierung. Im Jahr darauf ließ er mich wissen, er habe jetzt genug gesehen. Aber wenn der FCB die Reporter-Veteranen einlud, war er dabei.
Am 12. Januar 2021 wäre Ludwig Koppenwallner 100 Jahre alt geworden. Er starb am 21. Mai 2010. Den Nachruf schrieb Michael Gernandt, sein Nachfolger als Ressortleiter Sport der Süddeutschen Zeitung.
Ludwig Koppenwallner war ein Förderer des journalistischen Nachwuchses. 1964 schickte er seine beiden 25-jährigen Redak-teure Hans Eiberle und Michael Gernandt zu den Olympischen Winterspielen nach Innsbruck und Seefeld. Schon zwei Jahre zuvor hatte er den damaligen Volontär Eiberle über das Fußball-Länder-spiel BR Deutschland gegen die Schweiz aus dem Karlsruher Wildparkstadion berichten lassen.
Spieltag war der 23. Dezember 1962, ein Sonntag. Es war saukalt. Der Winter 1962/63 war der kälteste des 20. Jahrhunderts, mit Dauerfrost von Dezember bis Anfang März. Der Rhein war zugefroren, und sogar der Bodensee, von Bre-genz bis zum Untersee (Seegfrörne).
Die Züge blieben liegen. Ich erreichte das Wildparkstadion in Karlsruhe pünkt-lich, weil ich tags zuvor zu meinem Eltern nach Reutlingen gefahren war und die Hälfte der Strecke schon bewältigt hatte.
Die Presseplätze des Wildparkstadions befanden sich in luftiger Höhe auf der sogenannten Kanzel. Dort droben blies ein eiskalter Wind, der die Finger beim Tippen auf der Schreibmaschine erstarren ließ.
Trotz aller Widrigkeiten habe ich meinen Spielbericht pünktlich telefonisch an die SZ übermittelt, unter besonderer Würdigung von Hennes Küppers und Fredi Heiß vom TSV München von 1860; Küppers erzielte den letzten Treffer zum 5:1-Sieg.
Bundestrainer war damals übrigens Sepp Herberger; so lange ist das schon her. Hans Eiberle
39 Jahre lang diente das Gründungsmitglied Ludwig Koppenwallner dem Verein Münchner Sportjournalisten als 2. Vorsitzender und Ge-schäftsführer, von 1950-1989; er war außerdem Vorsitzender des Auf-nahme-Ausschusses und der Unterstützungseinrichtung. Die Ge-schäftsstelle befand sich in den Räumen der SZ-Sportredaktion, Betty Stöckl war nicht nur deren Sekreterärin, sondern auch die des VMS.
Koppenwallner erwartet von seinen Redakteuren, dass sie sich eb-enfalls im VMS engagierten. Michael Gernandt, Hans-Jürgen Jendral und Hans Eiberle waren Geschäftsführer, Eiberle von 1989-2014 1. Vorsitzender.
31.12.1980/1.1l1981
Das Turnier aus Anlass vo 100 Jahre Fußball in Uruguay gewann die Mannschaft des Gastgebers, die Brasilien im Endspiel in Montevideo 2:1. Die bundesdeutsche Mannschaft verlor zweimal: 1:2 gegen Argentinien, 1:4 gegen Brasilien. Bundestrainer Jupp Derwall setzte den ehemaligen Leichatathleten Hans-Peter Brieger (Die Walz von der Pfalz) auf den 20-jährigen Maradona an, Briegel: "Den hab ich vorher nie gesehen, auch im Film nicht und im Fernsehen, und das war auch besser so. Nur gelesen hab ich, das sei ein Wundermann, abr jetzt weiß ich, der kocht auch nur mit Wasser. Viel gelaufen ist er nicht, schnell war er nur mit dem Ball, und eigentlich hab ich mir's schwerer vorgestellt." Kom-mentar des argentinischen Trainers Cesar Luis Menotti: "Es ist eine furchtbare Taktik, einen wie Briegel gegen Maradona spielen zu lassen."
Von rechts: Uli Hoeneß, Hans Schiefele (Vizepräsident), Karlheinz Rummenigge, Fritz Scherer, Franz Beckenbauer, Rauch (Vizepräsident). FOTO: FRINKE
Er konnte Geschichten erzählen. Am liebsten Geschichten vom Fußball. Wie er Gerd Müller fünf Mark Trinkgeld gegeben hat, als der Möbelpacker und noch nicht Torschützen-könig war und ihm einen Schrank in den vierten Stock geschleppt hatte. Oder wie er Petar Radenkovic in einem Spielbericht in der Süddeutschen Zeitung den Namen Radi ver-passte. Der Torhüter rief beleidigt in der Redaktion an, dass der Radi zu den Münchner Schmankerl zählte, wusste der Serbe nicht. Erst später wurde Radi sein Künstlername.
Hans Schiefele war selber ein Stück Münchner Fußballgeschichte: Spieler beim FC Bay-ern München, und später dessen Vizepräsident, Fußballreporter der Süddeutschen Zeitung und Stellvertretender Ressortleiter Sport, Vizepräsident des FC Bayern. Dem Verein Münchner Sportjournalisten diente er fast fünf Jahrzehnte lang als „Vergnügungsdirektor“.
Der am 1. Oktober 1919 in Babenhausen bei Bad Wörishofen geborene Schiefele kickte in der Jugendmannschaft des FC Bayern als rechter Außenläufer so erfolgreich, dass er zu einem Lehrgang eingeladen wurde, bei dem Bundestrainer Sepp Herberger ihm in Aus-sicht stellte, er könne mal der Nachfolger von Nationalspieler Conny Heidkamp werden.
Stattdessen wurde er nach dem Abitur Soldat. Dem Schicksal Stalingrad entrann Schie-fele dank eines Studienurlaubs, seine handgefertigten Fußballschuhe blieben an der Front. Ein herber Verlust, die hatten Schraubstollen, von denen später behauptet wurde, der Adi Dassler hätte sie für die WM 1954 erfunden. Fünf Mal spielte Hans Schiefele für die Bay-ern, einmal während des Kriegs im Pokal gegen 1860, zwangsverpflichtet von Heidkamp von der Straßenbahnhaltestelle weg.
Josef Kirmaier, später legendärer Sportchef des Bayerischen Rundfunks, erkannte Schie-feles journalistisches Talent. Der wechselte im bombengeschädigten Süddeutschen Verlag von einem Kellerverschlag in den anderen, vom Lager in die SZ -Sportredaktion. Von 1948 bis 1982 berichtete er über Bobfahrer, Rodler und Trabrennfahrer, vor allem aber vom Fuß-ball. Er prägte die Sprachkultur der Sportberichterstattung mit, schrieb pointiert doch nie verletzend, gelegentlich im Münchner Dialekt als Xaver Salvermoser und Alois Wurm-dobler.
Am 11. September 1928, auf den Tag genau 17 Jahre vor Franz Beckenbauers Geburt, war Schiefele dem FC Bayern beigetreten. Als Beckenbauer 1958 vom SC 1906 zum FC Bayern wechselte, berichtete der Reporter für die Süddeutsche Zeitung schon zum zweiten Mal von einer Fußball-WM. Und bei seiner vierten in England auch über Beckenbauer. Ein letztes Mal 1974, da verkündete er den SZ-Lesern: „Freunde, wir sind Weltmeister“, wieder mit Beckenbauer. Schon 1954 war Schiefele WM-Berichterstatter gewesen. Im Film „Das Wunder von Bern“ heißt er Ackermann. Keiner hat ihn gefragt, wie es wirklich war. Schade, er hatte alles ganz anders erlebt.
Die Mitgliedschaft beim FC Bayern war mitunter eine schwere Bürde für den Journalisten Schiefele. Der litt, als sein Klub nicht zu den Gründungsmitgliedern der Bundesliga zählte und im Jahr darauf den Aufstieg verpasste. Und musste Spott ertragen wie den vom Sechziger-Trainer Max Merkel, der ihn während des Flugs zu einem Europacupspiel bat, aus dem Fenster zu schauen, drunten fahre der FC Bayern im Bus zum Regionalligaspiel nach Emmendingen.
Hans Schiefele war Insider, aber zum Schweigen verpflichtet, und hatte manchmal exklu-siv das Nachsehen. 21 Präsidenten sah er beim FC Bayern kommen und gehen, und 34 Cheftrainer. 1987 wurde er zum Vizepräsidenten gewählt. Schiefele vertrat die Amateur-abteilungen des FB Bayern, sein Rat aber war auch bei den Profis gefragt. Schiefele hatte zuletzt nach 77 Jahren beim FC Bayern die Mitgliedsnummer 1.
Er hatte sich vorgenommen, sich an seine alte Schreibmaschine zu setzen und Erinne-rungen aufzuschreiben. Dazu kam er nicht mehr. Hans Schiefele starb, im 86. Lebensjahr, am 19. September 2005 an den Folgen eines Schlaganfalls. Sein Grab ist im Ostfriedhof, gegenüber seinem Haus in der St.-Martin-Straße.
(27. Juni 2019) - Markus Seyrer kam von Münch-ner Merkur zum Sport-Informations-Dienst (SID) in München. Er berichtete als Chefeporter über den alpinen Skisport, Fußball und Tennis. "Wir haben in Wimbledon jedes Jahr in seinen Geburtstag reingefeiert", erinnert sich seine Lebensgefährtin Doris Henkel. "Am 1. Juli 2005 war es der 46. Am Abend des Geburtstages ist er nach Hause geflo-gen, am nächsten Tag hat er nach dem Auftakt-training bei den Bayern noch eine Geschichte für den SID geschrieben. Dann ist er nach Freising zum Fußballspielen, und das war das letzte, was er in seinem Leben getan hat. Mit Volldampf raus, irgendwie typisch."
Am 14. Juli 2005 ist Markus Seyrer an den Folgen eines Herzinfarkts im Freisinger Kran-
kenhaus gestorben. Am 1. Juli 2019 wäre er 60 Jahre alt geworden.