1949 gründete Werner Friedmann, Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung und Herausgeber der Abendzeitung, eine Lehrredaktion. Auf die Ausschreibung in der Abendzeitung melden sich 1700 Personen, vier Frauen und 17 Männer wurden als Schülerinnen und Schüler der ersten dauerhaften Ausbildungsstätte für Journalismus in der jungen Bundesrepublik ausgewählt. Auf dem Stunden-plan des Werner-Friedmann-Instituts standen vormittags redaktionelle Tätig-keiten, am Nachmittag praktische Kurse in Stenografie, Schreibmaschine schreiben und Englisch. Die Ausbildung dauerte zunächst zwei Jahre, wurde aber später auf ein Jahr verkürzt.
Zu spät für die Kriegsgeneration, die sich bar jeglicher Ausbildung in das Abenteuer Journalismus gestürzt hatte. Manche der Kriegsheimkehrer hatten Berufe erlernt, andere waren Abiturienten, auch mit Notabitur. Erfahrungen gesammelt hatten sie vor allem beim Marschieren, Schießen und im Überlebenskampf. Nicht wenige aber auch im Leistungssport.
Einer von ihnen: Ludwig Koppenwallner (Jahrgang 1921), Werbekaufmann, Soldat, 1946 mit 25 Jahren Ressortleiter Sport der Süddeutschen Zeitung. Ein anderer: Hans Schiefele (Jahrgang 1919), bei der SZ vom Lagerverwalter zum Fußballschreiber befördert. Und Wolfgang Weingärtner (Jahrgang 1921), nach seinem Jurastudium zusammen mit Hans-Jochen Vogel, dem späteren Münchner OB, Regierierender Bürgermeister von Berlin und Bundesjustiz-minister sowie dem nachmaligen Münchner Polizeipräsidenten Manfred Schreiber, dem er freundschaftlich verbunden war, Refrendar der Jurisprudenz und nebenbei Berichterstatter von Schwimmwettkämpfen. Im Münchner Merkur leitete Bruno Schmidt-Hildebrandt (Jahrgang 1919), nach dem Krieg in Bayern hängengeblieben, das Sportressort des Münchner Merkur. Dort schrieb auch Eugen Vorwitt (Jahrgang 1915) über Alles und Jeden, war Reporter, Kolumnist und Schmonzettenschreiber in Personalunion.
Sie verband nicht nur das Schicksal der Kriegsheimkehrer, sie waren auch verbunden durch das, was man damals Sportkameradschaft nannte. Kennengelernt hatten sich über den Leistungssport, zum Beispiel disziplinüber-greifend bei den deutschen Jugendmeisterschaften 1938 in Breslau. Wolfgang Weingärtner war 1938 deutscher Jugendmeister im 100-m-Rückenschwimmen gewesen. In der Nachkriegszeit spielte er, zusammen mit Harry Válerien, beim Münchner Männerschwimmerein Wasserball und bei 1860 mit dem nachmaligen Mister Handball Bernhard Kempa. Schiefele kickte beim FC Bayern, wurde von Sepp Herberger zum Lehrgang eingeladen und spielte nach dem Krieg vor allem um Prämien, die aus Naturalien bestanden; er wurde 1987 Vizepräsident des FC Bayern München.
Eugen Vorwitt fand als Heimkehrer Unterschlupf bei Koppenwaller, seinem Vereinskameraden vom VfL München, später Postsportverein, und durch ihn zum Journalismus. Im Trikot des VfL war Koppenwallner 1938 deutscher Jugendmeister im Fünfkampf, bei den deutschen Meisterschaften 1940 Dritter im Hochsprung mit 1,90 Metern und 1946 deutscher Meister mit 1,95 Metern; diese Höhe bewältigte 1948 bei den Olympischen Spielen in London, von denen Deutschland ausgeschlossen war, der olympische Silbermedaillengewinner Björn Andreas Paulson aus Norwegen. 1947 gewann Koppenwallner den Titel erneut, und wurde zweimal Zweiter im Zehnkampf. Vorwitt war bei den deutschen Titelkämpfen 1946 Startläufer der 4x100-m-Staffel des VfL München, die den vierten Platz belegte. Bruno Schmidt, später mit Bindestrich Hildebrandt, hatte mit 13,57 Metern im Dreisprung ebenfalls Platz vier belegt.
Von Nachteil ist es nicht, wenn ein Journalist im Metier, über das er schreibt, Selbsterfahrung gesammelt hat. Trotzdem ist auffällig, wie viele Sportjournalis-tinnen und Sportjournalisten sich im Leistungssport ausgezeichnet hatten. Auch unter den Mitgliedern des Vereins Münchner Sportjournalisten gibt es davon reichlich:
Tobias Barnerssoi (Bayerischer Rundfunk), sechsmal deutscher Meister Ski alpin, Olympia- und WM-Teilnehmer, zweimal auf dem Podest im Weltcup.
David Binning (Magazin Rennrad), ehemals Mitglied im Nationalkader des Bunds Deutscher Radfahrer (BDR).
Norbert Dobeleit (Agentur lucky7even Entertainment für TV-Produktionen und Kommunikation), 1988 olympische Bronzemedaille mit der 4x400-m-Staffel.
Hans Eiberle (Süddeutsche Zeitung) württembergischer Meister im Dreisprung.
Michael Gernandt (Süddeutsche Zeitung), einst über 200 m in 21,5 Sekunden Junioren-Europarekord gesprintet, 100-m-Bestzeit 10,4 Sekunden.
Corinna Halke-Teichmann (Bayerischer Rundfunk), Eiskunstlauf, dreimal deutsche Meisterin im Paarlauf, Teilnehmerin an Olympischen Spielen, WM und EM.
Horst Huber (Freier Journalist), zehn Länderkämpfe als 400-m-Läufer.
Heidemarie und Fred Joch (Fotografen): Sportschützen.
Herbert Jung (Sportchef Bild München), deutscher Mannschaftsmeister im Schwimmen mit KTV Karlsruhe.
Karlheinz Kas (Trostberger Tagblatt, Bayerischer Rundfunk) Fußballspieler in der Bayernliga.
Maria Mühlberger (Fotografin) Sportschützin
Rainer Olbert (Süddeutsche Zeitung), Torhüter in der Handball-Bundesliga bei TSV Milbertshofen und MTSV Schwabing)
Eberhard Vaubel (Freier Journalist), Dritter im Weitsprung der deutschen Leichtathletikmeisterschaften 1961, Bestleistung 7,44 m.
Gerhard Waldherr (Freier Journalist und Buchautor), Eishockey-Profi in der 2. Bundesliga bei EC Bad Tölz und TuS Geretried.
Zahlreiche Mitglieder der Kriegs- und Nachkriegsgeneration sind ein Arbeits-leben lang im Sportjournalismus tätig gewesen. Ein Grund dafür, dass ihre Nachfolger den Sportjournalismus nicht selten als Sprungbrett in andere Ressort genützt haben, mag die zunehmend besseren Ausbildung sein, über Studium und Journalistenschulen wie der Deutschen Journalistenschule in München, die aus dem Werner-Friedmann-Institut hervorgegangen. Ein anderer, dass die im Sportjournalismus erlernten Fähigkeiten wie schnelles Arbeiten auch unter schwierigen Umständen wie auf Pressetribünen in Stadien und Hallen auch in anderen Bereichen des Journalismus nützlich und geschätzt sein.